Höfe aus der Zeit Karls des Großen in der Außensiedlung der Paderborner Kaiserpfalz

01.04.2015 Carolin Steimer

Angeschnitter Hofgraben des 11. Jahrhunderts

Ein weiterer Artikel des Stadtarchäologen Dr. Sven Spiong. Diesmal zur Ausgrabung an der Kisau in Paderborn.

Phasenplan mit den Befunden von der vorrömischen Eisenzeit bis zum Spätmittelalter in den 2014 und Anfang 2015 untersuchten Flächen

Baumaßnahmen auf dem Gelände des ehemaligen Landeshospitals veranlassten die Stadtarchäologie Paderborn dazu, in der Kisau, das Grundstück zu untersuchen. Hierbei entdeckte sie eine Vielzahl von Siedlungsspuren aus verschiedenen Epochen seit der Eisenzeit.

Keramik der älteren römischen Kaiserzeit

Die ersten Siedler der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (2./1. Jahrhundert v. Chr.) legten auf dem Areal Vorratsgruben an, von denen sich noch zwei erhalten haben. Weitere Gruben dieser Zeit liegen vereinzelt im Nordteil der Grabungsfläche. Sie enthielten Scherben grober Vorratsgefäße und ein pyramidenförmiges Webgewicht.

Ein Spinnwirtel und Gefäße mit ovalen Eindrücken oder Fingernageleindrücken stammen aus dem 1./2. Jahrhundert nach Christus.

Hofgraben mit Verfüllung des frühen 11. Jahrhunderts im Profil

Ferner entdeckten die Archäologen eine Scherbe mit Rillen- und Stempelverzierung aus dem 5. Jahrhundert. Diese wenigen Siedlungsnachweise zwischen dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. und dem 5. Jahrhundert n. Chr. deuten auf nur wenige Jahre genutzte Hofstellen hin. Dies änderte sich als Frankenkönig Karl der Große im Jahre 776 auf der Anhöhe über den Paderquellen eine Burg mit Pfalz gründete und westlich der Warmen Pader eine Außensiedlung entstand. Auf der Grabungsfläche konnte die Stadtarchäologie nun zwei karolingisch-ottonische Hofstellen nachweisen. Beide Höfe waren durch einen gut 4 m breiten und 2 m tiefen Graben voneinander getrennt, der auf die Warme Pader zuführte.

Blick auf das nördliche Grabungsareal. Von Westen nach Osten verläuft eine Reihe Pfostenlöcher des späten 8. bis 11. Jahrhunderts. Sie werden teilweise überdeckt von einem im 12. Jahrhundert verlegten Straßenpflaster

Von beiden Hofstellen wurden sowohl die in den Boden eingetieften Grubenhäuser als auch größere Häuser des späten 8. bis frühen 11. Jahrhunderts entdeckt.

Zwei Reihen von über 20 Pfostenlöchern im Abstand von knapp 6 Metern gehören zum Haupthaus des Hofes, das hier vom späten 8. bis zum frühen 11. Jahrhundert über 200 Jahre immer wieder an derselben Stelle erneuert wurde. Die hier wohnenden Bauern hatten also ihren Hof in Areale mit gleichbleibender Funktion eingeteilt. Die Grubenhäuser des Hofes lagen weiter südöstlich:  

Das Grubenhaus in der südöstlichen Grabungsfläche wird von einem Punktfundament eines spätmittelalterlichen Fachwerkhauses überlagert und überdeckt zwei eisenzeitliche Kegelstumpfgruben

Ein Älteres kann anhand der Keramik ins frühe 9. Jahrhundert datiert werden. Ein halbes, zylinderförmiges Webgewicht legt eine Nutzung als Webhaus nahe. Das zweite Grubenhaus wurde im 10. oder frühen 11. Jahrhundert aufgegeben.

Mit der Verfüllung des Grabens im frühen 11. Jahrhundert werden die weitläufigen Höfe aufgegeben und das Gelände anders genutzt.

Etwa 100 m weiter südlich wurde bereits in den Jahren 1998 und 2003 ein weiterer Hofgraben gefunden. Auch dieser verlief auf die Warme Pader zu. Pfostenreihen an beiden Grabenrändern und Besiedlungsspuren beiderseits des Grabens zeigen, dass sich hier ebenfalls bis zum frühen 11. Jahrhundert zwei Hofstellen voneinander abgrenzten. Beide Hofgräben wurden noch vor 1050 verfüllt und überbaut. Aus der Vita des Bischofs Meinwerk (1009-1036) erfahren wir, dass er hier Bedienstete und Handwerker des bischöflichen Hofes

ansiedelte. Die neuen Befunde und die zunehmenden Nachweise für verschiedene Handwerker, wie Metallgießer, Knochenschnitzer und Schmiede, zeigen nun, wie sehr der Bischof damit in die Binnenstruktur der Siedlung eingriff: Die über Jahrhunderte bestehenden Hofgrenzen wurden zu Gunsten einer dichteren, wahrscheinlich kleinparzelligen Siedlungsstruktur aufgegeben.

In der Kisau lassen sich bis etwa 1150 nur wenige Bauaktivitäten nachweisen. Ein Brunnen, der unmittelbar nach Verfüllung des Hofgrabens angelegt wurde, zeigt, dass hier weiterhin Menschen wohnten. 14 abgesägte Gelenkköpfe von Rindermittelfußknochen belegen eine Knochenschnitzerei. Das Fehlen jeglicher Hausspuren hängt wahrscheinlich mit der Ablösung der Pfostenbauten und Grubenhäuser durch Fachwerkhäuser zusammen. Nicht oder nur schwach fundamentiert, hinterlassen sie keine Spuren im Boden. Hinzu kommt ein flächiger Bodenabtrag von etwa einem Meter. Die geringe Erhaltungstiefe der eisenzeitlichen Vorratsgruben und Grubenhäuser einerseits und die gut erhaltene nach 1150 gepflasterte Stichstraße, sind hierfür sichere Belege. Die Bodenabträge stehen im Kontext der um 1150/80 neu geplanten Stadt, als das nun ummauerte Stadtgebiet neue Straßen und Grundstücke bekam. Auch auf dem nördlichen Grabungsareal pflasterte man eine neue Straße, die die Grundstücke zwischen der Spitalmauer und der Warmen Pader erschloss. Bei den höher gelegenen Arealen im Süden erfolgten zu dieser Zeit umfangreiche Bodenabträge, die, wie Auffüllschichten direkt westlich der Pader zeigen, dafür genutzt wurden, die hinteren Grundstücksareale zum Paderufer aufzufüllen. Diese neue Struktur blieb bis ins frühe 17. Jahrhundert bestehen, als mehrere Grundstücke für das Kapuzinessenkloster aufgekauft und zusammengelegt wurden.

Funde dieser Zeit werden aktuell im Museum in der Kaiserpfalz unter dem Motto „Weltgeschichte auf dem Tisch“ im Rahmen einer Foyerausstellung gezeigt.

 

Text Sven Spiong