Von Bauern, Handwerkern und städtischer Infrastruktur

22.08.2016 Carolin Steimer

Über 2000 Jahre Siedlungsgeschichte liegen unter dem ehemaligen Parkplatzbereich an der Kisau/Ecke Spitalmauer.

Die eisenzeitliche Vorratsgrube liegt im Bereich der Stichstraße aus dem 12. Jahrhundert, deren Kieselpflasterung im oberen Bildbereich zu erkennen ist.

Das Gebiet westlich der Warmen Pader wurde durch Bauernfamilien bereits in der vorrömischen Eisenzeit genutzt, wie eine Vorratsgrube mit einem Durchmesser von 1,40 m und ursprünglich bis zu 1,60 m Tiefe zeigt. In ihr lagerte man damals über den Winter hinweg das Saatgetreide. Dass sie heute nur noch rund 0,40 m tief erhalten ist, belegt die starken Veränderungen, die das Areal am ehemaligen Landeshospital in den folgenden Jahrhunderten erfahren hat.

Vor allem die Entstehung der städtischen Baustruktur im 12. Jahrhundert mit neuen Grundstücken entlang der Kisau und der Spitalmauer sowie der Anlage einer Stichstraße/Sackgasse in Verlängerung der Königstraße hat ihre deutlichen Spuren im Boden hinterlassen. So wurde z.B. für die Straße, die ein Pflaster aus kleinen Flusskieseln und Kalksteinchen erhielt, zunächst der Oberboden – und damit auch wiederum ein Teil der alten Vorratsgrube – abgetragen, um mit dem anstehenden Kies eine feste Unterlage zu erhalten. Entlang der Straßenführung, die die hinteren/nördlichen Grundstücksbereiche bis zur Pader hin erschloss, orientierte sich ab dem 12. Jahrhundert die Bebauung: Noch im 15. Jahrhundert nahm ein Haus, von dem sich der Keller mit sorgfältig gelegtem Plattenboden erhalten hat, die Baufluchten wieder auf.

Die kühlere und feuchtere Luft ermöglichte die Verarbeitung von Flachs/Leinen in den teilweise in den Boden eingetieften Grubenhäusern - Flechtwerkwände und ein Dach schützten vor Wind und Wetter. Hier sind noch zwei Viertel der Verfüllung zu erkennen.

Die neue städtischen Infrastruktur und Bebauung brachte auch eine veränderte Nutzung des Gebietes mit sich, das bis in das 11. Jahrhundert hinein durch Bauernhöfe geprägt war. Aus der Zeit der sich unter Bischof Meinwerk (1009-1036) entwickelnden Gewerbesiedlung stammt ein teilweise in den Boden eingetieftes sogenanntes Grubenhaus, in dem Flachs verarbeitet wurde.

Der Keller mit Plattenboden aus dem 15. Jahrhundert wird von der Grundstücksmauer des 17. Jahrhunderts überzogen.

Einen Handwerker können wir auch für das 12./13. Jahrhundert noch nachweisen: Die Nähe zum Neuhäuser Tor und, damit verbunden, dem sicherlich regen Handels- und Reiseverkehr werden einem Schmied genügend Aufträge verschafft haben. Kleine Öfen und zahlreiche Schmiedeschlacken zeugen von seiner Tätigkeit. 

Ein schönes Beispiel für Stadtarchäologie und das räumlich enge Aufeinanderfolgen von Baustrukturen: Im Bild links werden die Verfüllschichten des Grubenhauses aus dem 11./12. Jahrhundert gezeichnet und abgetragen.

Der neuzeitliche Brunnen im vorderen Bereich der Grabungsfläche. Die Holzleiter in der Bildmitte steht auf und vor den Gebäudestrukturen des Wirtshauses, das zu Beginn des 17. Jahrhunderts entsteht und auch über dem Brunnen liegt.

In der Frühen Neuzeit nutzten die Bewohner des älteren noch erkennbaren Hauses einen Brunnen. Kleine Grundwasserseen, die sich auf unserem nördlichen Grabungsareal gebildet haben, zeigen, dass sie dabei nicht allzu tief graben mussten, um auf Frischwasser zu stoßen. Und auch für diesen Zeitraum lassen sich Nachweise finden, dass im Außenbereich zur Kisau hin Eisen geschmiedet wurde.

Im Wechsel mit Hitze und starker Sonneneinstrahlung, die für knochentrockenen Boden sorgte, war Wasserschöpfen eine immer wiederkehrende Beschäftigung.

Im Zuge des Baus des Wirtshauses Bracht zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Brunnen verfüllt - und mit Gründung des Kapuzinessenklosters 1628 auch das Haus abgerissen. Die das Klosterareal von dem bürgerlichen Bereich trennende Grundstücksmauer verläuft über die älteren Bebauungsstrukturen und zeigt damit deutlich die erneute bauliche Veränderung des Geländes an.

Nördlich des Wirtshauses (ab den 1930er Jahren der „Goldene Anker“) entstand zunächst ein Haus mit Keller, der einen ebenso schönen Plattenboden erhielt wie sein 200 Jahre älterer Vorgänger. Noch im 17. Jahrhundert wurde er allerdings wieder verfüllt. Das jüngste Gebäude war eine Scheune, die, ebenso wie das Wirtshaus, 1945 abgerissen wurde.

 

Text: E. Manz