1000 Jahre Bartholomäuskapelle

10.10.2017 Carolin Steimer

Foto: Burgemeister/LWL

Happy Birthday

Wenn man 100 Jahre alt wird, kommt mancherorts der Pastor zum Gratulieren. Doch eine exzellente dreitägige Geburtstagsfeier mit 23 vortragenden WissenschaftlerInnen und noch vielen Gästen mehr bekommt man wohl erst, wenn man 1000 Jahre alt wird (und so einiges „auf dem Buckel“ hat). Die Paderborner Bartholomäuskapelle feiert nämlich in diesem Jahr ihr vierstelliges Bestehen und die Stadt, das Metropolitankapitel, der Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, der kefb und die LWL-Denkmalpflege nahmen das zum Anlass, an der Theologischen Fakultät Paderborn in Form einer Tagung mitzufeiern.

Ich bin neu hier in Paderborn und habe bislang nur durch Teilnahme an Führungen des Museums in der Kaiserpflalz zwei oder dreimal in der Kapelle gestanden. Sie wirkte jedes Mal – besonders wenn wie auf dem Bild das Licht einfällt – unglaublich stimmungsvoll auf mich. Damit stehe ich wohl nicht allein da, denn die Tagung zum Jubiläumsjahr machte mir eines ganz deutlich: Die Besonderheiten an dieser neben dem Dom recht unscheinbar wirkenden Kapelle sind ihr hallenartiger Charakter und der damit verbundene tolle Klang mit seinem langen Nachhall. Gerade für den mittelalterlichen Menschen, der im Alltag völlig anderen akustischen Eindrücken ausgesetzt war als wir heute, muss das ein Wow-Erlebnis gewesen sein. Dies hoben z.B. gerade Wissenschaftler von der Technischen Hochschule Köln mit ihrem laufenden Projekt hervor, in dem sie ein 1:10 großes Modell nachbauten und herausfinden wollen, welche Rolle die Akustik für den Bau einer Hallenkirche im Mittelalter gespielt haben mag. Denn das ist die Bartholomäuskapelle, eine Hallenkirche, und zwar die älteste nördlich der Alpen. Also noch eine herausragende Tatsache, die ihr zu eigen ist. Wenn ich schon das nördlich so betone, dann gibt es sicherlich auch etwas zum Süden zu sagen, und tatsächlich: Man findet derartige Hängekuppeln bei den „Byzantinern“ im Oströmischen Reich, mit dem die weströmischen Kaiser seit jeher in Konkurrenz, aber auch in Austausch standen. Vermutlich – so plädierten auch einige Vortragende – ist die Bartholomäuskapelle unter byzantinischem Einfluss zu ihren beeindruckenden Hängekuppeln gekommen. Bischof Meinwerk soll nämlich Arbeiter von dort für den Bau beschäftigt haben. Aber warum hat er sie noch gleich bauen lassen? Ach ja, für Kaiser Heinrich II., damit er – so die Vermutung der Forschung – einen Raum zum Einkleiden vor Beginn der Prozession in den Dom hatte. Natürlich ist das längst nicht die einzige Daseinsberechtigung der Kapelle. Sie diente sakralen (also religiösen), aber auch profanen (also weltlichen) Zwecken. Ein Vortrag beschäftigte sich ausführlich mit ihrer Nutzungsgeschichte. Erstaunlich ist es, dass sogar ein Exorzismus stattgefunden hat. 1585 wurde in der Bartholomäuskapelle einem Jungen ein Dämon ausgetrieben, indem der Pater seine Finger in dessen Mund legte und dem Dämon befahl, zu entweichen. Neben diese für heutige Ohren befremdlich bis schaurig anmutende Praktik wurde der Kapellenraum auch für Schauspiele gebraucht, die meistens religiösen Lehrzwecken dienten. Aktuell – und auch das thematisierte ein Vortrag – beherbergte die Kapelle auch schon mal Kunstinstallationen. Bis vor Kurzem ehrte sie die überdimensionale „Fest-Klang-Krone“ zu ihrem 1000jährigen Jubiläum, die die Künstlerin Christa Henn aus außergewöhnlichem Material – modernen Röntgenbildern von Frakturen, Knochenschrauben und Drähten – angefertigt hat.

Die Bartholomäuskapelle bietet auch archäologisch, geologisch und (kunst-)historisch sehr viel. Viel zu viel, um das in einem kurzen Blogartikel zusammenzufassen. Doch neben aller Theorie, da stimmt sogar die Forschung zu, ist ein Merkmal für eine Hallenkirche unentbehrlich: die Stimmung, die der Besucher erlebt. Die kann und werde ich jedenfalls ab jetzt öfter auf mich wirken lassen!

 

Sarah K. Weber

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