Töff, töff, töff, die Eisenbahn: Wer will mit...

27.03.2018 Carolin Steimer

Mit Spaten und Schubkarre: Angehende Archäologinnen und Archäologen im Einsatz, Foto: LWL/S. Weber

...nach Willebadessen fahr`n?

Die Eisenbahn prägt das Landschaftsbild unserer Region seit mehr als 150 Jahren. Die Bahnstrecke, die durch das Stadtgebiet von Paderborn und die Senne nach Bielefeld führt, und der Viadukt über das Beketal westlich von Altenbeken sind beispielsweise bekannte Bauten, die bis heute für den Zugverkehr genutzt werden. Ganz anders verhält es sich mit der „Alten Eisenbahn“,  einer aufgegebenen Eisenbahnbaustelle im Eggegebirge, die derzeit archäologisch untersucht wird. Am 21. März hatte ich im Rahmen meines Praktikums im Museum in der Kaiserpfalz die Gelegenheit, die Ausgrabung zu besuchen. Im Folgenden möchte ich von meinem Besuch erzählen.

Der sonnige Parkplatz täuscht: Gleich im Wald wird`s weiß! Foto: LWL/S. Weber

Obwohl der Frühling laut Kalender schon begonnen haben sollte, präsentierte sich das Grenzgebiet zwischen Lichtenau und Willebadessen noch als Winterlandschaft. So legten Sarah Weber, wissenschaftliche Volontärin im Museum in der Kaiserpfalz, und ich am Parkplatz „Alte Eisenbahn“ Stiefel und Handschuhe an, um gegen die eisigen Temperaturen und den Schnee gewappnet zu sein. Der Archäologe Nils Wolpert, aktuell beschäftigt in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des LWL, und sein Kollege Fritz Jürgens von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel leiten gemeinsam die Grabung. Nils führte uns zur Ausgrabungsstelle. Die „Cöln-Minden-Thüringer Verbindungsbahn“, die zwischenzeitlich 500 bis 600 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt hat, wollte Paderborn und Warburg mit einer Bahnstrecke verbinden. An dieser Stelle sollten ein Tunnel und ein Damm für das Gleisbett entstehen. 1848 endete das Vorhaben jedoch mit der Insolvenz der Privatbahn.

 

 

 

Fundstücke aus der Schmiede: Natürlich ist auch ein verbogener Eisennagel darunter. Foto: LWL/S. Weber

Unmittelbar neben dem Wanderweg legten fleißige Studierende der Universität Kiel Mauerreste frei, die nach archäologischer Einschätzung zu einer Schmiede gehörten. Es war ihnen bereits gelungen, die Überreste der Esse zu Tage zu fördern. Dabei sind Glasscherben, verschiedene Fundstücke aus Keramik, Nägel und andere Gegenstände aus Metall sowie der vermutliche Rest einer Pfeife gefunden worden. Nils Wolpert berichtete, dass bei einer früheren Grabung bereits zwei weitere Gebäude gefunden worden sind: eine Schenke und ein Wächterhaus. Glück im Unglück brachte Sturm Friederike der Grabungscampagne: Umgestürzte Bäume ermöglichten einen erneuten, leichteren Zugang zu den Bodendenkmälern. Diesmal lag das Hauptaugenmerk auf der Schmiede.

Bekommt man hier bei -7 °C nicht Lust auf einen Tauchgang? Foto: LWL/S. Weber

Neben den Gebäuden, die Aufschluss über den Bauvorgang geben, fand ich die Relikte der Tunnelbauten besonders interessant. Die Fortschritte, die die Arbeiter vor 170 Jahren gemacht hatten, kann man noch heute erkennen. Am östlichen Ausgang des Tunnels ist ein Damm aufgeschüttet, der nach etwa 100 Metern abrupt endet. Obwohl er heute mit Pflanzen überwachsen ist, sticht er in der bewaldeten Landschaft hervor. Am anderen Ende des Tunnels befindet sich eine Schlucht, die von Wasser geflutet ist. Geländer bewahren die Wanderer davor, sich den steil abfallenden Hängen zu nähern. Hier haben Taucher der Universität Kiel den von Wasser bedeckten Ort für das Gleisbett erkundet.

 

Nils Wolpert erklärte, dass der bereits gebaute, etwa mannshohe Stollen gesprengt worden ist, um Menschen und Tiere zu schützen. Man sieht jedoch noch die Reste von drei verfüllten Richtschächten. Zur Zeit der Bauarbeiten gingen diese senkrechten Schächte sehr tief in die Erde. Man grub sie in relativ kurzen Abständen, um sie als „Zwischenstationen“ für den langen, unterirdischen Stollen zu nutzen. Dies ermöglichte eine bessere Kontrolle des Streckenverlaufs.

Die verfüllten Schächte wirken heute wie eine Fallgrube, die eifrige Spaziergänger mit Ästen bedeckt haben. Foto: LWL/S. Weber
Der Blick über die geflutete Schlucht lässt heute noch den Streckenverlauf der Eisenbahn vermuten. Foto: LWL/S. Weber

Manch einer, der beim Stichwort „Archäologie“ zunächst an Ausgrabungen von steinzeitlichen oder antiken Stätten denkt, mag sich über die Ausgrabung der gerade einmal 170 Jahre alten Eisenbahnbaustelle wundern. Die Archäologie der Moderne ist aber eine wissenschaftliche Teildisziplin, die Orte des Arbeitens und der industriellen Produktion untersucht. Die „Alte Eisenbahn“ ist ein einmaliges Relikt des frühen Eisenbahnbaus, weil sie die Zeit nahezu unberührt überdauert hat. Es ist geplant, dem interessierten Besucher diese außergewöhnliche Eisenbahnbaustelle zugänglich zu machen. Schautafeln sollen über die Baustelle und die archäologischen Grabungen informieren. Ich jedenfalls halte einen Besuch der interessanten historischen Stätte für empfehlenswert – nicht nur für Heimatforscher und Eisenbahnfreunde.  

Johannes Kalde

Danke, liebes Grabungsteam, dass wir mit euch die Regel brechen durften! Foto: LWL/S. Weber